Am 7. August 1958 kommt er in Freiburg zur Welt. Nachdem seine Eltern sich scheiden ließen, besucht der kleine Uwe alle 14 Tage seinen Vater am Wochenende im badischen Rheinfelden. Und weil der Vater Pilot im Zweiten Weltkrieg war, fährt er mit seinem Sohn oft zum Zürcher Flughafen. Da stehen die beiden dann und schauen stundenlang zu, wie die Maschinen starten und landen. Dem Bub ist schnell klar, dass er Pilot werden will wie sein Vater. Aber es kommt - wie bei den meisten Buben - dann doch ganz anders. Denn nach dem Abitur in Schwenningen fängt das an, was man mit Fug und Recht "ein wechselvolles Leben" nennen kann. Denn von Wechseln und Wendungen ist Uwe Häkanshons Leben prallvoll.
Doch der Reihe nach.
Zunächst leistet er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Als er die lästige Pflicht hinter sich hat, wird er plötzlich zum Kriegsdienstverweigerer. Er will nicht als Reservist bei Wehrübungen ins Feld ziehen. Sein Begehr wird anerkannt, die Entscheidung angefochten, in zweiter Instanz aber doch wieder bestätigt. Zum Studium der Volkswirtschaftslehre zieht Häkanshon vom Neckarursprung genau ans andere Ende der Republik, nach Hamburg, "um die große, weite Welt zu spüren". Mit 26 tritt er aus der evangelischen Kirche aus - um sieben Jahre später wieder einzutreten. Und als Protestant sieht man ihn oft in katholischen Kirchen sitzen. Er besucht sogar katholische Messen, deren Riten und Gebete er sich eingeprägt hat. Die besondere Spiritualität spricht ihn an. Später beschäftigt sich Häkanshon über 35 Jahre intensiv mit Aktien; zwei seiner Musterportfolios werden an der Stuttgarter Börse gehandelt. Zunächst lebt er in Stuttgart, dann sieben Jahre in Ehningen bei Böblingen, um sich dann doch wieder für seine Wohnung im Stuttgarter Dachswald zu entscheiden.
Von der Universität in die erste Liga
In Hamburg kniet er sich während seines Studiums tief ins Schwerpunktfach "Wirtschaftsinformatik" rein. Nach dem Studium kommt dann die einzige lange Gerade in Häkanshons Leben. Seine frisch erworbenen Fachkenntnisse katapultieren ihn beruflich gleich in die erste Liga: 30 Jahre lang arbeitet er im Außendienst bei IBM. Für den Konzern betreut er Großkunden wie Lidl, Kaufland, DEKRA, dm-drogerie markt und ZF Friedrichshafen. Nach seinem Ausscheiden bei IBM werkelt Häkanshon mit Mitte 50 noch an einigen kleineren Projekten herum, die aber nicht groß reüssieren. Deshalb zieht er sich nach und nach aus der Hektik des Berufs zurück.
Dann ist es eine Zeitlang still in seinem Leben.
Erst 2016 passiert wieder was. Gleich zwei Mal. Uwe Häkanshon gründet erst seine "Nadelöhr Stiftung", die Bildung und Jugendhilfe, Respekt und Toleranz, Integration, arme Menschen und die Eine Welt unterstützt. Kurz darauf mischt er maßgeblich bei der Gründung der Thomasstiftung seiner evangelischen Heimatgemeinde mit. Über die Nadelöhr Stiftung lernt er Ivanka Cugura kennen, die ihre Stiftung wiederum bei Lebenswerk Zukunft gegründet hat. Bei den beiden ist es Freundschaft auf den ersten Blick. Ivanka Cugura stellt ihm dann "die Frau von der CaritasStiftung" vor: Angelika Hipp von Lebenswerk Zukunft. Bei Kaffee und Kuchen erzählt diese von ihrem Job und ihrer Stiftung, und Häkanshon hört freundlich zu. Und dabei bleibt es. Zunächst.
Auf der Suche nach einem Platz zum Sterben
2022 eine furchtbare Wendung. Das Schicksal schlägt mit aller Härte zu: Diagnose Krebs. Schlimm, ganz schlimm. Mit extrem schlechten Werten. Ohne irgendeine Hoffnung auf Heilung. Die Lage ist komplett aussichtslos. Deshalb beginnt der damals 63-Jährige, sich nach einem letzten Ort in seinem Leben umzusehen: "Mein Thema war: Wo will ich sterben?" Das Hospiz St. Martin in Stuttgart-Degerloch gefällt Häkanshon auf Anhieb. Hier fühlt er sich angenommen. Wenn er schon sterben muss, dann will er es hier tun. So driften seine Gedanken immer mehr in Richtung Tod.
Dass alles anders kommt, hat Uwe Häkanshon bis heute noch nicht wirklich realisiert. Die neuerliche Wende beginnt beim Regeltermin bei seiner Zahnärztin, Dr. Sabine Reith. Beiläufig fragt sie ihren Patienten nach dem allgemeinen Befinden. Und bohrt so lange nach, bis Häkanshon, der schon auf dem Behandlungsstuhl sitzt, endlich auspackt. Und ihr alles erzählt. Sabine Reith zögert keine Sekunde. Sie sagt Termine ab, greift zum Telefon und setzt ihr "medizinisches Netzwerk" in Bewegung. Und eine Behandlung in Gang. Sabine wird Uwes gutes Schicksal. Denn nach Jahren geschieht das Wunder: Die Werte sind gut, die Krebsgeschwüre zurückgegangen, im April 2024 können die Ärzte operieren. Erfolgreich! Am Ende unserer Geschichte wird Uwe Häkanshon mit feuchten Augen über seine Zahnärztin sagen: "Sie ist meine Lebensretterin."
Aus dem Nebel taucht die Stiftung wieder auf
Für ihn beginnen nun die die glücklichsten Tage seines Lebens. Er formuliert das schlichter: "Mein Leben hat sich gedreht. Die Krankheit hat mich komplett geändert." Jeder Tag ist jetzt schön. Die Prioritäten sind andere. Häkanshon schließt sich begeistert der Wandergruppe "Laufmasche" an, zieht mit seinen neuen Freunden alle zwei Wochen dienstags durch die Region. Er freut sich über alles, was seine neue Achtsamkeit gierig aufgreift: die Pflanzen am Wegesrand, schöne Gemälde, die geschenkte Zeit und viele Gespräche mit spannenden Menschen. Er macht sogar - nach über 20 Jahren - wieder Urlaub! Vier Tage Wien, vier Tage Nizza! Er strahlt übers ganze Gesicht, als er das erzählt.
Und noch während Uwe Häkanshon auf seiner Glückswelle reitet und sein wiedergewonnenes Leben mit jeder Pore genießt, tauchen plötzlich aus dem Nebel der Erinnerung die "Hipp‘sche Idee" (U. Häkanshon) und Lebenswerk Zukunft wieder auf. Jetzt überlegt er nicht lange. Er weiß einfach, dass es das Richtige ist. Am 21. Juni 2024 gründet er die "Uwe Häkanshon - Palliativ- und Hospizstiftung" mit 90.000 Euro. Ausschlag gibt logischerweise seine persönliche Betroffenheit. Und: "Ich wollte etwas zurückgeben." Die Stiftung unterstützt jetzt Patienten und Fachkräfte im Hospiz, außerdem die Angehörigen, die mit ihrer Trauer fertig werden müssen.
Der Stifter lächelt: "Ich wollte immer drei Kinder haben. Jetzt habe ich drei Stiftungen."
Zum Schluss eine Anekdote. Die Familienchronik berichtet von Uwes Ururgroßvater, einem Schweden namens Jonas Håkansson aus Kalmar. Als er sich 1872 in Deutschland in dem winzigen Dorf Krautsand an der Elbmündung niederlassen will, bekommt der zuständige preußische Beamte ein Problem: Er findet auf seiner Schreibmaschine kein schwedisches Å. "Naja", denkt er, "dann nehme ich einfach das Ä, das sieht ja fast genauso aus." Und aus dem Doppel-S im Namen machte er gleich ein (wahrscheinlich preußischeres) SH. Aus Håkansson wird Häkanshon.
Schon damals: unvermutete Wendungen.
Elf persönliche Fragen an Uwe Häkanshon - elf persönliche Antworten des Stifters.